Drei Jahre ZSL – Fachverbände des Beamtenbundes ziehen bittere Bilanz

Veröffentlicht am 25. Februar 2022

Qualität gibt es nicht umsonst – wer eine neue Behörde kreiert, die die Qualität der Schulen sichern soll, muss sie auch ausstatten, so BLV, RLV und PhV bei ihrer gemeinsamen Landespressekonferenz.

 

Das Vorhaben, die Qualität von Aus- und Fortbildung zu verbessern, war richtig. Dabei wurden aber funktionierende Strukturen zerschlagen und bisher leider immer noch nicht im erforderlichen Maße durch neue funktionierende Strukturen ersetzt. Qualität gibt es nicht umsonst – wer eine neue Behörde kreiert, die die Qualität der Schulen sichern soll, muss sie auch ausstatten. Vieles läuft nicht rund am ZSL, dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung. Darum braucht es eine unabhängige externe Evaluation. Das Kultusministerium muss Nachsitzen und die Probleme nachhaltig anpacken.

Thomas Speck (Vorsitzender BLV Ba-Wü), Dr. Karin Broszat (Vorsitzende RLV Ba-Wü) und Karin Fetzner (Stv. Vorsitzende PhV Ba-Wü)

Stuttgart, den 25. Februar 2022

Zu wenig Personal + zu viele Aufgaben = programmiertes Scheitern

An der ZSL Hauptstelle und an den sechs Regionalstellen waren von Beginn an zu wenige Planstellen (sog. Vollzeitäquivalente) vorgesehen. Auch diese zu wenigen Stellen und sogar relevante Dienstposten sind nicht alle besetzt. Gleichzeitig werden dem ZSL vom Kultusministerium (KM) zusätzliche Aufgaben übertragen, ohne dass das ZSL mit den dafür erforderlichen Stellen ausgestattet wird. Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden täglich und am Wochenende, teilweise sogar in Urlaubszeiten sind am ZSL üblich. Dennoch können viele Aufträge und Aufgaben nicht im geplanten Zeitfenster bearbeitet werden. Das ZSL hat aktuell über 6000 Beschäftigte. Darauf ist das Kultusministerium als Arbeitgeber überhaupt nicht eingestellt.

Es ist dringend nötig, dass die vorhandenen Dienstposten drei Jahre nach der Gründung endlich besetzt werden. Darüber hinaus benötigt die Behörde weitere Stellen. Nicht einmal die gesetzlich vorgesehene Freistellung für die Personalvertretung kann korrekt gewährt werden.

 

Einst funktionierende Strukturen wurden zerschlagen.

Viele Fachberater*Innen haben über viele Jahre in funktionierenden Fortbildungsteams zusammengearbeitet. Diese Teams wurden ohne Not zerschlagen. Die Lehrerfortbildung wurde dadurch erheblich beeinträchtigt und hat sich davon noch nicht erholt. Zudem sind redundante Doppelstrukturen entstanden: „Fachberater Aufsicht“ an den Regierungspräsidien konkurrieren mit „Fachberatern Unterricht“ des ZSL um die knappe Ressource Zeit der Lehrkräfte.

Für die beruflichen Schulen stehen den Regierungspräsidien inzwischen zu wenige Fachberater zur Verfügung, so dass Beratung und Betreuung der Schulen nur noch eingeschränkt möglich ist.

 Die sinnvolle Verzahnung von Fachberatern Aufsicht und Fachberatern Unterricht ist dringend erforderlich. Die schulaufsichtlichen Aufgaben dürfen dabei nicht vergessen werden. Die Corona-Pandemie hat offengelegt, dass die Schulaufsicht den Schulen die notwendige Unterstützung nicht bieten konnte.

 

Seminare: die großen Verlierer der Neustrukturierung

Die Budgets an den Seminaren für Schulpädagogik wurden um 1/3 gekürzt. Seminare sind nun nicht mehr eigenständig und im Prinzip ihrer Leitung beraubt. Die Seminarleitungen werden nun eine Stufe schlechter dotiert als zuvor und müssen zusätzlich weitere Aufgaben übernehmen, da die stellvertretenden Seminarleitungen ersatzlos gestrichen wurden.

Stellenbesetzungen an den Seminaren sind langwierig. Teilweise sind zentrale Vorhaben an den Seminaren nicht mit Anrechnungsstunden hinterlegt. Problemanzeigen der Seminare liegen dem ZSL schon lange vor. Allein eine Lösung lässt auf sich warten. In Zeiten des Lehrermangels die Lehrerausbildung so zu vernachlässigen, ist fahrlässig.

Die Einbindung der Seminare in die Fortbildung der Lehrkräfte ist in keiner Weise geklärt. Die Schnittmenge zwischen Ausbildung und Fortbildung ist denkbar gering. Eine Verzahnung von Aus- und Fortbildung ist nicht in Sicht.

 Die Seminare müssen entlastet, ihr Budget muss erhöht und ihre Rolle im Gebilde ZSL muss geklärt werden.

 

Die Verwaltungsreform ist auf halbem Wege stehen geblieben – viele Vorschriften sind immer noch nicht auf die neue Struktur angepasst.

Offensichtlich war dem Ministerium nicht klar, wie komplex es ist, eine neue Behörde in ein bestehendes System zu integrieren. Es wurde z.B. nicht beachtet, dass in der Folge Verwaltungsvorschriften massiv überarbeitet werden mussten und müssen. Beispielsweise liegt die Zuständigkeit der Ausbildung der Beratungslehrkräfte bei den Regierungspräsidien. Bei der Neubesetzung eines Fachberaters Unterricht, der am ZSL arbeitet, sitzen in der Auswahlkommission Vertreter der Regierungspräsidien und der dortigen Personalvertretung, nicht aber Vertreter des ZSL und der dortigen Personalvertretung.

Die Verwaltungsvorschriften müssen nach drei Jahren Übergangszeit endlich angeglichen und die Zuständigkeiten müssen eindeutig geklärt werden.

 

Die mangelnde sachliche Ausstattung führt zu einer Zweiklassengesellschaft innerhalb der Behörde.

Die Beschäftigten des ZSL sind nicht ausreichend mit Dienstrechnern versorgt. Viele Mitarbeitende sind Lehrkräfte, die nur auf Basis von Anrechnungsstunden oder Teilabordnungen an den Regionalstellen arbeiten. Damit haben sie kein Anrecht auf ein Dienstgerät, da die Anzahl auf 30 Geräte pro Regionalstelle limitiert ist. An den Regionalstellen arbeiten allerdings deutlich mehr Personen. Fachberatern in der Fortbildung wird an manchen Dienststellen ein iPad und Headset angeboten, an anderen nicht.

 Die sachliche Ausstattung muss vereinheitlicht werden. Unterschiede zwischen den Regionalstellen müssen angepasst werden. Der Datenschutz muss gewährleistet werden können.

Alle Beratungslehrkräfte müssen eine geeignete sächliche Ausstattung wie z.B. mobile Endgeräte für ihre Tätigkeit erhalten. Eine datenschutzkonforme Verarbeitung sensibler Klientendaten ist sonst nicht möglich. Bisher kommen die Sachmittel noch direkt aus den jeweiligen Schuletats.

 

Die Vergütung für Arbeiten am ZSL ist schlecht.

Die Vergütung der Fachberater erfolgt sehr unterschiedlich: Fachberater im gehobenen Dienst erhalten für die Dauer der Tätigkeit eine Zulage von 38,81 € im Monat.

Fachberater im höheren Dienst erhalten eine dauerhafte Beförderung. Für Beratungslehrer sind die Anrechnungsstunden gedeckelt, variable Lösungen auf Schulamtsebene sind mit der neuen Struktur nicht mehr möglich. Eine Zulage oder Beförderung ist hier nicht vorgesehen.

Fachberater im beruflichen Bereich erhalten Anrechnungen gemäß ihrer zeitlichen Belastung. Grund ist die hohe Fächerzahl und die große Differenziertheit der Inhalte.

In allen anderen Schularten wird pauschal pro Fortbildung abgerechnet: Für 8 halbtägige Fortbildungen bekommen Fachberater 1 Unterrichtsstunde Ermäßigung.

Die einst angekündigte mehr als überhälftige Entlastung wurde von Seiten der Behördenleitung stillschweigend beerdigt. Eine Professionalisierung im Fortbildungsbereich ist damit gestorben.

Für alle Fachberater gilt: krankheitsbedingte Ausfälle müssen zusätzlich zum üblichen Alltagsgeschäft nachgearbeitet werden. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung bezweifeln alle beteiligten Verbände.

Die zeitliche Entlastung für die Erstellung und Multiplikation anspruchsvoller Fortbildungsinhalte muss erhöht werden. Anrechnungsstunden müssen entsprechend der geleisteten Arbeit vergütet werden. Krankheitsbedingte Ausfälle dürfen keinesfalls zu Nacharbeit führen.

 

Überbürokratisierung verhindert einen funktionierenden Workflow.

Viele Arbeitsprozesse am ZSL sind über die Maßen kompliziert: Durch zu viele Arbeitsschritte werden Projekte verschleppt. Die Durchführung einer Fortbildung erfordert erheblich mehr bürokratische Schritte als zuvor. Interne Treffen der Fachberater können nicht über das Dienstreisemanagement abgerechnet werden, sofern sie nicht als „Fortbildungen“ falsch deklariert sind.

Die Einrichtung einer Emailrichtlinie/ -leitlinie steht noch aus.

Die Verfügung der Anrechnungsstunden für Fachberater erfolgt zum Teil erst 9 Monate oder noch später nach Abgabe des Tätigkeitsberichts.

Die Bereitstellung von vom ZSL zentral erstellten Unterrichtsmaterialien an die Schulen dauert zu lange. Die Autoren der Materialien berichten von langen Abstimmungszeiten, bis Handreichungen und Unterrichtsbeispiele den Schulen zur Verfügung gestellt werden können. Hier scheint die Abstimmung zwischen ZSL und den Verantwortlichen im Kultusministerium nicht zu passen.

Immerhin gibt es ein Qualitätsmanagement am ZSL. Dieses wirkt aber noch nicht wie es notwendig wäre. Wie in anderen Bereichen ist das Qualitätsmanagement unterbesetzt.

Die viel zu bürokratischen Verfahren am ZSL müssen vereinfacht werden. Alle Dienstreisen im Rahmen von Tätigkeiten für das ZSL müssen auch über das Dienstreisemanagement abgerechnet werden können.

 

Rollenunklarheit und Zersplitterung von Zuständigkeiten führen zu einem zwangsläufigen Rollenkonflikt

Viele Mitarbeitende des ZSL müssen sich zerreißen zwischen ihren Verpflichtungen gegenüber dem ZSL und ihren anderen Dienststellen – sie sind „Diener zweier oder mehr Herren“. Dienststelle der meisten Fachberater ist ihre Schule. Das gleiche gilt für die Beratungslehrer. Die Materialausstattung der Beratungslehrer läuft über die Schulen, die Abrechnung ihrer Reisekosten übers Regierungspräsidium bzw. Schulamt und die der Tätigkeit übers ZSL.

In der Theorie gibt es eine Zuordnung zu zwei Dienststellen gar nicht. Abrechnungen werden häufig nicht übers ZSL gemacht, sondern über die Schulen. Das angekündigte Berufsbild des „Aus- und Fortbildners“ gibt es auch nach drei Jahren noch nicht.

Mitarbeitende einer Behörde brauchen eine klare Zuordnung. Das Berufsbild des „Aus- und Fortbildners“ ist überfällig. Praktiker und Lehrerverbände müssen bei der Entstehung miteinbezogen werden

 

  Das ZSL kennt man nicht.

Die Außenwirkung des ZSL ist mangelhaft. Viele Lehrkräfte wissen immer noch nicht, dass das ZSL überhaupt existiert und welche Aufgaben es erfüllt.

Das Verbot, Fortbildungsangebote über die Schulleitungen zu bewerben, führt dazu, dass Veranstaltungen mangels Anmeldungen ausfallen. Die Abstimmung zwischen IBBW und ZSL hakt bezüglich der Software zur Lehrerfortbildungsanmeldung. Die Suchfunktion ist mangelhaft, passende Angebote sind schwer zu finden.

Informationen (z.B. zu Fortbildungen) des ZSL müssen zuverlässig und rechtzeitig allen Beschäftigten und den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Die Software zur Lehrerfortbildungsanmeldung muss anwenderfreundlich werden.

 

Das ZSL kennt sich selbst auch (noch) nicht.

Nach wie vor ist unklar, wer als Beschäftigter des ZSL gilt. Wo der Behördenchef anfangs noch von einer höheren dreistelligen Zahl an Mitarbeitenden ausging, ist inzwischen die Rede von mehr als 6000. Der Personalvertretung konnte bis heute noch keine Liste der Mitarbeitenden vorgelegt werden. Von daher fast schon logisch ist es bis heute auch nicht möglich, mit einer E-Mail alle Mitarbeitenden zu erreichen. Die meisten Mitarbeitenden des ZSL waren noch nie in der Zentrale oder an einer der Regionalstellen. Viele Beschäftigte (Fachberater, Beratungslehrkräfte, Seminare und ASKO-Tätige) nehmen sich nicht als Beschäftigte des ZSL wahr. Sie sind von wesentlichen Informationen der Behörde abgeschnitten. Ihre Zugehörigkeit wird auch dadurch in Frage gestellt, dass gesetzliche Regelungen nicht angepasst wurden.

 Nach drei Jahren ist es dringend nötig, sowohl eine klare für die Mitarbeitenden erkennbare “corporate identity“ aufzubauen als auch sich für die Kollegien an den Schulen bemerkbar zu machen; sonst stellt sich die Frage nach der Legitimation der Behörde.

 

Fazit: Der Zugewinn an Qualität, der durch das ZSL erreicht werden sollte, steht noch aus.

Das ZSL ist aber genau für diese Qualität zuständig – es ist also höchste Zeit, zunächst einmal das ZSL selbst auf seine Qualität hin zu evaluieren. Eine derartige Evaluation muss durch eine unabhängige und neutrale externe Stelle stattfinden. Wenn die (gar nicht mehr so) neue Behörde dieser Evaluation nicht standhält, dann muss es auch denkbar und für Politiker ohne Gesichtsverlust möglich sein, einen Fehler einzugestehen und das ZSL weiterzuentwickeln oder gar abzuwickeln.

 

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde bei Dienstbezeichnungen das in den hierfür zugrunde liegenden Gesetzen benutzte generische Maskulinum im Text verwendet. Selbstverständlich sind alle Personen, die die jeweilige Tätigkeit ausüben, damit gemeint.

 

Hier finden Sie die Pressemitteilung als Download.

 

Veröffentlicht am 25. Februar 2022

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